tt.com, 08.07.2012
Gegen Beschneidungen in Wohnungen in Tirol macht sich Amen Ronald Oberhollenzer stark. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat bisher nicht reagiert, nun wurde erneut Anzeige erstattet.
Innsbruck, Wien – Auf das Kölner Urteil, nach dem die männliche Beschneidung als strafbar zu werten ist, hat Amen Roman Oberhollenzer lange gewartet. „Endlich ist es klar, dass der nicht-therapeutische Eingriff bei Kindern Körperverletzung ist“, sagt Oberhollenzer, der 25 Jahre in Israel gelebt hat, aus einer jüdischen Familie stammt und sich seit Jahrzehnten gegen die rituelle Beschneidung starkmacht. Dass man ihm bisher in Tirol kein Gehör geschenkt hat, soll nun ein Ende haben. „Ich habe bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck Anzeige erstattet. Anzeige wegen Körperverletzung, begangen durch Personen in Privatwohnungen und von Ärzten in Krankenhäusern und das österreichweit“, so Oberhollenzer.
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Es ist nicht das erste Mal, dass Oberhollenzer den Kampf gegen die „männliche Verstümmelung“ aufnimmt. „2008 wollte ich eine Anzeige bei einer Tiroler Polizeiinspektion erstatten, aber man hat sie einfach nicht angenommen. 2009 wurde meine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck als ‚strafrechtlich nicht relevant‘ ad acta gelegt“, erzählt Oberhollenzer, der den Staatsanwälten vorwirft, „es unterlassen zu haben, der kollektiven Körperverletzung Einhalt zu gebieten“. Dass die rituelle Beschneidung rechtswidrig ist, daran hat Oberhollenzer keinen Zweifel. „Die Rechte der Eltern enden dort, wo die Verletzung der Kinder beginnt. Die Rechtsstaatlichkeit muss immer über der Religionsfreiheit liegen“, meint Oberhollenzer.
Dass die Entfernung der Vorhaut aus religiösen Gründen rechtlich problematisch sein kann, wissen auch Österreichs Ärzte. „Wir empfehlen allen, die kein juristisches Problem haben wollen, davon abzusehen“, sagt Reinhold Kerbl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. „Viele Kollegen, die dennoch den Eingriff vornehmen“, sichern sich laut Kerbl daher ab. „Es wird halt eine medizinische Notwendigkeit – Vorhautverengung – vorgegeben. Diese Lösung finde ich absolut unbefriedigend, weil sie nicht ehrlich ist.“
Für Eva Plaz (Opferanwältin im Fall Fritzl) geht es beim Beschneidungsurteil um relevante religiöse wie gesellschaftliche Fragen: „Ich kann mir vorstellen, dass das Thema beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg landet. Es wird entschieden werden müssen, ob die Religionsfreiheit der Eltern oder das Recht der körperlichen Unversehrtheit der Kinder mehr wiegt. Ich persönlich finde es richtig, wenn der Staat schützend zugunsten der Kinder einschreitet.“
Das Verbot könnte letztendlich auch Eltern zugutekommen, die trotz jüdischen oder islamischen Glaubens die Tradition bei ihren Buben nicht fortführen möchten. „Sie könnten dann sagen, dass sie der Beschneidungspflicht aus rechtlichen Gründen nicht nachkommen können.“ Für Plaz sollte prinzipiell jede religiöse Zugehörigkeitsentscheidung „die Volljährigkeit voraussetzen, und da meine ich durchaus auch die christliche Taufe“.