Dr. Christa Pölzlbauer: Psychische Folgen der Beschneidung


Dr.in Christa Pölzlbauer, Vizepräsidentin österr. Bundesverband für Psychotherapie:

Seit Jahrzehnten werden Untersuchungen und Berichte über mögliche psychische Belastungen der Beschneidung veröffentlicht. Der Psychiater David Levy stellte u.a. fest, dass die traumatisierende Wirkung der Operation umso größer war, je jünger das Kind zum Zeitpunkt der Operation war. Die Beschneidung hinterlässt demnach nicht nur körperliche sondern auch psychische Narben. Des Weiteren weisen Forscher nach, dass der Schmerz der Neugeborenenbeschneidung noch im Alter von 6 Monaten in der Erinnerung präsent ist und abgerufen werden kann. Das in Studien beobachtete Verhalten wird als kleinkindliche Entsprechung der posttraumatischen Belastungsstörung bezeichnet. Die Kinderpsychologin Cansever berichtet, dass Kleinkinder die Beschneidung als aggressiven Akt erleben, der sie schädigt, verstümmelt und in manchen Fällen vollkommen zerstört. Das Gefühl „Ich bin jetzt kastriert“ kann die psychische Welt des Kindes beherrschen.

Beschneidung fördert Kastrationsangst
Auch die psychoanalytische Theorie (S.Freud, A.Freud, M. Klein) vertritt die Ansicht, dass die Beschneidung, die während der frühen Kindheit durchgeführt wird, als Kastration wahrgenommen werden kann. Freud beschreibt das verstärkte Interesse der Buben am Genitalorgan um das vierte bis fünfte Lebensjahr. In dieser Phase der Persönlichkeitsentwicklung, die Freud die phallische Phase nannte, nehmen die Sexualorgane einen hohen narzisstischen Stellenwert ein. Die Furcht, dass dieses „wertvolle“ Organ Schaden nimmt, wird Kastrationsangst genannt. Aus der Sicht der Psychoanalyse können daher psychischen Schädigungen infolge der Beschneidung auftreten.

Die möglichen psychischen Langzeitwirkungen werden aus verschiedenen gesellschaftlichen/religiösen/soziologischen Gründen selten thematisiert. Einige Beispiele dafür sind:

  • Die gesellschaftliche Akzeptanz bzw. durch manche Religionen sogar gefeiertes Ereignis der Beschneidung belegt das Problematisieren mit einem Tabu.
  • Das frühkindliche Trauma wird nur selten als Konsequenz der Beschneidung erkannt
  • Die Gefühle der Kinder werden dem Druck der Erwachsenen untergeordnet
  • Kinder können leicht gezwungen und manipuliert werden
  • Gruppendruck beeinträchtigt das Urteilsvermögen Erwachsener
  • Anpassung im Interesse gesellschaftlicher Anerkennung
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