Prim. Dr. Klaus Vavrik, FA f. Kinder- und Jugendheilkunde, Kinderpsychologe:
„Appell für eine Versachlichung und eine grundsätzliche Abwägung der Persönlichkeitsrechte in der Diskussion um die kindliche Genitalbeschneidung“
Zu wünschen wäre, dass aus der derzeit sehr polarisierenden Religionsdebatte eine sachlich geführte Wertediskussion wird, in welcher die Anerkennung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen in den Vordergrund gestellt wird.
Dass es in einem gesellschaftlichen Diskurs unterschiedliche Positionen gibt und geben darf, das ist Normalität. Wesentlich dabei ist aber, dass jede beteiligte „Partei“ zumindest eine Stimme hat, um ihre Position zu vertreten. Eine wesentliche Stimme — nämlich jene der direkt betroffenen Kinder — fehlt in der bisherigen Diskussion aber völlig. Wer darf legitimer Weise für die Kinder sprechen? Wer vertritt die Interessen des Kindes in seinem Sinne und zu seinem Wohl, solange es unmündig ist? Eltern, Religions- oder Kulturgemeinschaft, Staat? Sie alle haben oftmals eigene Beweggründe und Wünsche, welche sich nicht automatisch mit dem Wohl des Kindes decken müssen.
Die internationale Gemeinschaft hat daher als objektive Richtschnur die Kinderrechtskonvention (www.kinderhabenrechte.at/fileadmin/download/Kinderrechtskonvention_deu…) erarbeitet, welche alle Staaten der Erde mit Ausnahme Somalias und den USA, somit auch Österreich, ratifiziert haben.
Auch die Ausübung der jeweiligen Religionsfreiheit ist zweifelsohne ein hohes Gut und traditionelle Riten haben ja oft einen, aus früheren Zeiten stammenden, tieferen Sinn. Es ist jedoch zu hinterfragen, ob dieser im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß und seinen Zweck erfüllend ist. Auch Religionen haben im Laufe der Geschichte immer wieder ihre Rituale überdacht und adaptiert.