Cahit Kaya, Ex-Muslim und Beschneidungsopfer
Ich war noch ein kleiner Junge, als mein Vater mich ins Krankenhaus in Bregenz (Vorarlberg) brachte, um mich dort beschneiden zu lassen. Ich wusste nicht genau, was dort passieren wird und auch nicht, wie es passieren wird. Und ich wusste nicht, warum es passieren wird, warum es sogar passieren muss. Es war nur klar, es wird passieren, auch wenn ich mich sträube.
Ich traf am späteren Nachmittag im Krankenhaus ein, wurde dann über Nacht alleine gelassen, bis am nächsten Tag die OP mit Vollnarkose stattfinden würde. Ich war sehr unruhig, ich fühlte mich alles andere als wohl. Mein Bett war direkt am Fenster. Auf der anderen Seite war ein anderer männlicher Patient. Ich bin oft aufgesprungen und hab aus dem Fenster gesehen. Das war meine kindliche Art zu zeigen, dass ich am liebsten wieder nach Hause gehen würde. Aber ich hatte das nicht zu entscheiden. In der Nacht hab ich dann ins Bett gemacht. Der Mann gegenüber hat die Krankenschwester informiert. Während das Bettzeug gewechselt wurde, hat mich der andere Patient gemustert. Wohl aus Verständnis, angenehm war es trotzdem nicht, da der Grund für mich ein sehr peinlicher war.
Am nächsten Tag bekam ich die Betäubung. Das einzige, woran ich mich erinnern kann, war, dass ich in den OP-Saal gefahren wurde. Die OP selbst hab ich nicht mitbekommen. Es war traumatisierend, ich habe mich hilflos und ausgeliefert gefühlt habe, ohne Chance, den Eingriff zu verhindern. Ich selbst hätte nie zugestimmt, wenn ich als Kind gefragt worden wäre.
Die OP habe ich erst nachträglich gespürt. Als die Schmerzmittel nachgelassen haben, blieb der Schmerz am Penis bis zur Heilung bestehen. Und dadurch auch die Erinnerung an die verzweifelten Versuche, der OP zu entfliehen und die Resignation darüber, dass es mir als Kind unmöglich war.
Ich habe in meinem Leben nicht oft darüber nachgedacht. Ich musste es als normal hinnehmen. Im schulischen Sport-Unterricht war es aber nicht normal. Ich war beschnitten, die anderen nicht. Reden konnte ich mit niemandem darüber.
Eine der Spätfolgen war, dass ich immer wieder Albträume hatte. Der Traum war immer sehr ähnlich. Ich gehe, dann plötzlich ein lähmendes Gefühl in den Beinen, bis ich mich im Traum nicht mehr bewegen konnte und in Panik geriet, bis ich erwachte. Der Wunsch, wegzulaufen aber nicht zu können, hat sich mir in die Psyche eingebrannt. Ich hatte immer wieder Schlafstörungen. Ich hatte wegen dieser Träume Angst vor dem Einschlafen.